Im Labyrinth der Zeichen

von Michael Weiser

Reigen der Anspielungen: Monika Gomis' Tanzperformance  "Catching a Big Fish" stellt Seh- und Erzählgewohnheiten im i-camp an der Entenbachstraße auf den Prüfstand.

Am Ende liegen auf der Bühne, sauber zusammengekehrt, Streichholzschachteln und Streichhölzer, als ein vieldeutiges Bild. Es könnte Zunder sein, der auf den fatalen Funken wartet. So eifrig und konspirativ, wie die vier Tänzer im i-camp an der Entenbachstraße zuvor die Schächtelchen austauschten, könnte es sich dabei auch um Kassiber handeln, Kuverts für geheime Botschaften. Oder um die Suche nach dem Hölzchen im Streichholzhaufen. Oder verbirgt sich darin der Kürzere, den irgendwann irgendjemand ziehen muss, in diesem Reigen mit immer wieder vertauschten Rollen?

Im mal strahlend hellen, mal schummrigen Licht der Bühne ist Klarheit nicht zu finden. „Catching a Big Fish“ von Monica Gomis lehnt sich schon im Titel an ein Buch von Regisseur David Lynch an. Um den Prozess der Kreativität geht es da, um den großen Ideen-Fisch, den man nur im tiefen Wasser des Geistes fangen kann. Lynch und vor allem Jim Jarmuschs Film „The Limits of Control“ haben den Tanzabend „Catching a Big Fish“ denn auch inspiriert. Die blonde Perücke, die mal auf den Köpfen verschiedener Darsteller, mal als Verkörperung einer rätselhaften „Fernanda“ auftaucht, die Streichholzschachteln, der Killer mit dem Gitarrenkoffer (hier ist es, eine Nummer kleiner, ein Behälter für eine Geige): Acessoires, Gesten, Handlungsfragmente entstammen Jarmuschs Film aus dem Jahr 2009 – oder auch anderen Filmen. Eine Performance voller Anspielungen und Zitate sieht man da, lauter Zeichen, die auf weitere Zeichen weisen, eine Szenenfolge, in der Teresa Acevedo, Nuno Lucas, Andreas Albert Müller und Sonja Pregrad immer wieder die Rollen wechseln. Einzeln entwickelten sie nach Vorgaben ihre Geschichten, ihre Version eines Verbrechens, Stränge, aus denen ein Bewegungsteppich mit vieldeutigen, manchmal schlicht verwirrenden Mustern gewoben wird. Für die dunkle Grundfärbung sorgt an Plattenspieler, an der Gitarre und mit Loops Jason Arigato mit einer Musik, die auch Quentin Tarrantino gefallen können.

Wie gesagt, verwirrend ist das alles, ein Zeichen- und Bewegungslabyrinth, in dem man schnell den Faden zu verlieren droht. Ein Spiel mit Zitaten und Anspielungen, dem sicherlich nicht jeder zu folgen vermag. Empfohlen sei da das Anschauen von Streifen wie „Mullholland Drive“. Cineastisch gänzlich Unbeleckten aber kann es gegangen sein wie beim erstmaligen Auftauchen im Tanzkurs: Die Schritte seh ich wohl, allein, es fehlt das Begreifen.

Veröffentlicht am: 09.09.2010

Über den Autor

Michael Weiser

Redakteur, Gründer

Michael Weiser (1966) ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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