Talking Head in der Unterfahrt: Im Projekt Umlaut blieb man sich bei der Begegnung von Sprechakt und Jazz fremd

von kulturvollzug

Auf dem JIM-Jazzfest des vergangenen Jahres, das heuer vom 7.-9. Oktober in der Black Box im Gasteig stattfindet, war es ein vielbeachteter Act: „Liliath“, um die charismatische Sängerin Miriam Arens. Die damalige Rhythmusgruppe, bestehend aus Simon Seidl (piano), Sebastian Gieck (bass) und Gabriel Hahn (drums) featurte in der Unterfahrt den ebenfalls bei Liliath mitwirkenden Beatboxer Sebastian Fuchs. „Umlaut“ hieß also das Projekt von Sebastian Fuchs, der sein Instrument schlicht `Vox´ nennt, was man auch verstehen könnte als: `alles, was eine Stimme außer Gesang so drauf hat´.

Von der Vox Populi des Straßenraps wollte sich Sebastian aber gleich nachhaltig distanzieren, seine Ambition galt dem mit geboxten Fill-Ins aufgelockerten literarischen Sujet. Die zahlreich erschienene Gemeinde in der Unterfahrt wurde gleich zu Beginn bei einer Klarstellungsrede eingedeckt mit einem Wortcluster über Musikkonsum, bewusstloses Hören und Lärm, der aufzuhören habe. Die humorfreie Wortkette signalisierte: hier spricht ein Art-Rapper. Sebastian Fuchs gelang es in Folge kaum, das etwas ratlose Publikum (sind etwa wir gemeint?) von der hoch angesetzten Kunstmarke wieder herunter zu bringen in seine Unterhaltungsshow der Stimmakrobatik.

Es folgte eine konzeptlose Variety-Show, die offenbar aus einem kleinkunstartigen Gedanken heraus möglichst umfassend bedienen will : Ein kleiner Exkurs über das reiche Feld all dessen, was eine Stimme noch alles kann außer der Erzeugung von Tönen. Dazu gehört dann natürlich auch das interaktiv schöne Aufrufen von nur drei Begriffen, über die man zu improvisieren versprach. Die Verbindung von beatgeboxtem Meeresrauschen und lauer Kritik an Reisebüros verursachte Bauchschmerzen. Es gelingen in spaßartig gemeinten Tier-Mensch-Grotesken Sätze wie: Sie hatte Angst, dass er eines Tages davon lief. (der Hund) Und immer wenn´s gar nicht weiter zu gehen schien, kam die Beatboxer-Leistungsshow. Wie unglaublich ist es doch, das gesamte Drumset eines ekstatischen Schlagzeugsolos durch einen Mund und menschlichen Hohlraum zu imitieren. Wunder der Natur. Menagerie. Völlig schade ist aber, dass die fantastische Rhythmusgruppe für derartiges Youtube-Zapping herhalten musste. Denn die drei spielten auf allerhöchstem Niveau. Es gab genug Momente, wo dieses Trio die Unterfahrt begeisterte. Doch da stand seitlich dieser Beatboxer mit dem Flapping Tremor seiner ins Nichts schlagenden rechten Hand. So mixt man einen klassischen Flop, hergeleitet aus falschem Anspruch und falsch eingesetztem Können.

Michael Wüst

Veröffentlicht am: 28.09.2010

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