Kosmos Kistlerstraße: Das Plattenlabel Trikont feiert - und schenkt uns einen Sturzbach von Rührung

von Michael Wüst

Auf der Puppen-Bühne. Foto: Veronika Lichtenstern

Es war ein wunderschönes Sommerfest an der Giesinger Kistlerstraße, in Hof und Café: Schau ma moi mit einem Weißbier unter stechender Mittagssonne. Das ist so der trikontinentale Isar-Lebensstil. Hier hat, frei nach Herbert Achternbusch, Erinnerung den Glanz der Utopie. Zwischen Franz Xaver Kroetz, dem Coconami-Ferdl, Willy Michl, Udo Wachtveitl, Johanna Bittenbinder, den Zwirbeldirn und Heinz Braun sahen wir durch das sich leerende Weißbierglas den Monace Franze, Therese Giese, Bally Prell, Ludwig Schmid-Wildy und Walter Sedlmayer in den irisierenden Strahlen der Gewittersonne. Hoaß is. Hoaß war´s.

Das legendäre Münchner Plattenlabel Trikont hatte eingeladen, und so waren alle da. Alle. Auf der Puppen-Bühne des „Schau ma moi“ - kaum erhöht, schon den Kopf an der Decke angestoßen - spielten „Um a Fünferl a Durchanand“ mit Johanna Bittenbinder (Schönheitskönigin), Sebi Tramontana (Posaune), Heinz Braun (Trompete) und Trikont-Archivar Andy Koll (Tuba), „Coconami“ mit Miyaji (Ukulele) und Nami (Blockflöte) und „Zwirbeldirn“ mit den drei charmanten Geigerinnen Evi Keglmeier, Maria Haffner, Beatrix Klöckner und der Kontrabassist Simon Ackermann.

Audienz beim Isarindianer. Foto: Veronika Lichtenstern

Da wäre ja wirklich genug geboten gewesen, aber so ganz nebenbei, ganz nonchalant, präsentierten Eva Mair-Holmes, Achim Bergmann und Andy Koll dann noch die „Stimmen Bayerns“, eine Doppel-CD zu den Themen Tod und dessen Schwester, der Liebe. Andy Koll hatte zurückreichend bis in die 50er Jahre unter anderem Radio-Dokumente von Ludwig Schmid-Wildy, Bally Prell, auch frühere Versionen des Brandner-Kaspars zusammen getragen. Urgesteine wurden mit den Jüngeren wie Ruth Geiersberger, Ringsgwandl, Hans Söllner oder Coconami genial in einen Gesamtklang gefügt, der frech und liebevoll über dem Galeeren-Metronom der Zeit tanzt. Erinnerung gewinnt den Glanz der Utopie. Es entsteht ein seliger Moment im Ort- und Zeitlosen, utopisch, uchronisch. Moment der Poesie.

Hier sind wahre Edelsteine zu finden: Helmut Fischer singt als Monaco Franze „Spatzl, schau wie I schau“. Und schau an wie er singen kann! Stilsicher trifft er in seiner introvertierten Eleganz das leicht schmalzige Vibrato der Cantautori. A bissel a Adamo geht immer in der nördlichsten Stadt Italiens.

Zu finden auf Seiten der Liebe, stellt dieser sanfte Stenz mit den Bajazzoaugen die Verbindung zum Tod her. Sein TV-Partner, dort sein bester Freund, der Manni Kopfeck, ist auch dabei: Karl Obermayr. „I will net“ präsentiert mit Herbert Regele aus Landsberg am Lech einen bayrischen Dichter, der für manche eine Neuentdeckung sein könnte. Interessant sollte auch sein, aus Franz von Kobells Vorlage des „Brandner Kaspar“ zu hören, erschienen 1871 in den “Fliegenden Blättern“. Erst 1974 kam ja Kurt Wilhelm mit dem Theaterstück heraus. Kobell wird gesprochen von Karl Obermayr, Fritz Strassner ist Brandner Kaspar und Toni Berger der Boandlkramer.

Die Hitze in Giesing. Foto: Veronika Lichtenstern

Und dann der Wüstensturm unter den Stimmen: Gustl Bayrhammer mit einem Gedicht von Christian Buck. „Mir san scho ganz verreckte Hund. Und da gibt´s koan Zweife, mir san net zum umbringa. Oder mecht oane sangn, dass a verreckter Hund zum umbringa is? Der sej lüagt und kehrt untern Tisch obegschlang“.

Die „Stimmen Bayerns“ schmeißen einen in einen Sturzbach von Rührung, Charmierung und auch echter Betroffenheit: So beim Text von Josef Zeitler, „A guter Trost“, gelesen von Ludwig Schmid Wildy. Das schnürt einem die Kehle zu. Herausgerissen wird man aber immer wieder durch die `wuiden´ Blues von Georg Ringsgwandl, Willy Michl und William Wetsox und die sanften Verführungen der Marterl-Fee Ruth Geiersberger und der Schönheitskönigin von Schneizlreuth, Bally Brell. Das ist: Kosmos Kistlerstraße.

 

Stimmen Bayerns: Die Liebe / Der Tod (Trikont, 2 CDs, je 15.99 Euro)

 

Veröffentlicht am: 04.07.2011

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Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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