Freitagsgedanken (Folge 12): Was man denkt, wenn ein Musiker einen Tee anbietet

von Clara Fiedler

Tee oder Gras? Kommt auf die Einstellung an. Foto: fie

Musiker und Drogen – das ist so eine Geschichte für sich. Oder viele Geschichten. Tragikkomische zum Teil. Und solche, bei deren Genuss man sich fragt, was gewisse Substanzen mit Menschen eigentlich machen. Es gibt da eine Anekdote über Louis Armstrong.

Der stand auf einen ganz bestimmten Kräutertee. Der Erzähler der Anekdote berichtet, dass er, während er mit Armstrong zusammenarbeitete, einen DJ kennenlernte, der ebendiese Teeblätter kurioserweise in Zigarettenpapier drehte und rauchte. Als er ihn fragte, wieso, meinte er, er habe „das Zeug“ von Louis Armstrong empfohlen bekommen.

Wenn man von einem Musiker einen Tee empfohlen bekommt, kommt man also eher auf den Gedanken, diesen zu rauchen, als zu trinken? Die erschreckendsten Geschichten aber sind die, in denen die Künstler das erste Set eines Konzertes vergeigen, sich in der Pause einen Schuss geben und auf einmal brillantes Zeug abliefern.

Chet Baker, Charlie Parker, Art Pepper...degenerierten sie alle irgendwann zu Menschen, für die sich im cleanen Zustand kein Mensch interessiert hätte, weil sie aus ihren Instrumenten keinen hörenswertenTon herausgebracht hätten? Gemeinhin wird behauptet, das habe zu tun mit der Fähigkeit, loszulassen. Was andere sich mittels Meditation, Yoga und was auch immer erarbeiten, versuchen diese Leute einfach zu konsumieren. Mit Spritze, Tabletten, was auch immer. Das geht auch schneller. Aber der Preis ist ein ziemlich hoher. Das Leben endet immer tödlich, aber in dem Fall wahrscheinlich früher als geplant. Und schmerzhafter.

Und heutzutage? Ich kenne Jazzmusiker, die sich homöopathisch behandeln lassen, vegane Metaller, yogaturndende Rapper und so weiter. Es scheint nicht mehr so en vogue zu sein, dieses Bild vom ständig betrunkenen oder zugedröhnten Musiker. Wie kommt das? Oder ist das gar nicht so? Ist das, was ein Künstler sucht oder braucht, Tiefe? Und ist es abhängig von seiner Lebenseinstellung, wo er sie sucht?Hatte ein Louis Armstrong weniger Intensität als ein Charlie Parker? Nein. Nur der eine fand sie in der Freunde und der andere im Leid. Die genialsten Bach-Werke entstanden nach dem Tod von seiner Frau. Rachmaninov aber schrieb strahlendste, vielschichtigste Dinge aus Freude über die überwundene Depression.

Wer beides nur in homöopathischen Dosen zu sich nimmt, wird wahrscheinlich genauso wenig ein Genie, wie einer der einmal im Jahr ein Glas Wein trinkt ein Suchtkranker wird. „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, glücklich allein ist die Seele, die liebt“, schrieb Goethe in seinem Egmont. Liebe also. Die zur Musik, in diesem Fall. Na, wenn das nicht die Lösung für alles ist...ob diese Liebe dann beim Zuhörer ankommt, ist in so manchem Fall die andere Frage. Das hängt von dessen Fähigkeit ab, Gehörtes nicht zu bewerten. Aber vielleicht ist es genau das, was diese Künstler von den Drogen hatten: Sie hörten auf sich zu bewerten und wurden für diesen Rauschmoment sie selbst.

Veröffentlicht am: 07.10.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

Weitere Artikel von Clara Fiedler:
Andere Artikel aus der Kategorie