Der Choreograf Richard Siegal zeigt in der Muffathalle sein neues Werk „Civic Mimic“: Tanz auf dem Chromosom

von Isabel Winklbauer

Bei Richard Siegal trägt der Laufsteg die Schuhe, nicht die Models, Foto: H. Goidell

Der Laufsteg ist der Star. In Richard Siegals neuem Stück „Civic Mimic“  dreht sich alles um das lang gezogene, weiße Konstrukt des Architekten Francois Roche. Wie ein Chromosom füllt es, teils auf grauen Schuhen stehend, teils auf Metallstäben schwebend, die Muffathalle.

Unter verschiedenen Beleuchtungen wird das Ding zum Fabrikfließband, oder zum schneebedeckten Berghang, der im Mondlicht gleißt. Eine hoch ästhetische Installation! Doch darauf bewegen sich Tänzer, und da beginnen die Probleme. Keine Frage, es gibt einen schönen Effekt, wenn die sechs Protagonisten in Tenniskleidung in immer neuen Formationen über den Steg und um ihn herum schwirren. Sie bilden Grüppchen, gehen Beziehungen ein – imitieren sich gegenseitig. Mal zupfen sie inflationäran ihren T-Shirts, mal bohren sie ihren Kopf in den Laufsteg, mal heben sie sich in spektakulären Posen. Sie bilden eine Gemeinschaft im ständigen Fluss, denn Anderssein, oder gar ein sicheres Ende zu finden, hat zurzeit keine Konjunktur. Doch genau das ist schwierig: Ein ständiger Fluss entwickelt über 60 Minuten so viel Spannung wie das Schaufenster einer Waschmaschine. Am befriedigendsten ist es noch, Paula Sanchez und Caroline Geiger zuzusehen, zwei große Tänzer-Charaktere, die durch jede ihrer Bewegungen fliegen wie Superwoman. Dem einzigen Mann Kenneth Flak hat der Choreograf keinen echten Gegenpart zugeordnet. Seine Kunst verliert sich vielmals im Raum.

Wie ein Flashmob soll das Stück von oben aussehen, Foto: R&Sie(n) Architects

Man braucht als Zuschauer ungefähr zwei Drittel der Zeit, um zu merken, dass das Ganze unterhaltsamer ist, wenn man sich selbst ebenfalls möglichst viel um den Steg herum bewegt, statt den Tänzern nachzulaufen. Doch die nervtötenden Klangcollagen von Hubert Machnik machen dazu keine allzu große Lust. Bei „CoPirates“ war Siegal so schlau, das Publikum mit House-Remixes von Beatlessongs zu ködern, alles wippte mit. Diesmal dröhnen einem die Ohren, wenn man wieder in die Nacht hinaus geht. So richtig mitgemacht hat man nicht.

Veröffentlicht am: 13.10.2011

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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