Pietro Perugino, ein Wegbereiter der Renaissance: Himmlische Erscheinungen

von kulturvollzug

"Madonna del Sacco" (um 1495/1500), Foto: Florenz, Uffizien

In der reichhaltigen Studio-Ausstellung "Perugino - Raffaels Meister" zeigt die Alte Pinakothek in München zu ihrem 175. Jubiläum Werke des italienischen Malers Pietro Perugino, der als einer der Wegbereiter der Renaissance gilt.

"Den Schrecken der Armut immer vor Augen, führte er, um Geld zu verdienen, Werke aus, die er vermutlich keines Blickes gewürdigt hätte, wenn er sein Auskommen auf anderem Wege hätte sichern können." Der Vater der Kunstgeschichte, Giorgio Vasari, war nicht sehr hellsichtig und urteilte über den italienischen Maler des Quattrocento Pietro Perugino (um 1450 bis 1523) geradezu verächtlich und verleumderisch. Über den Meister, der sich nach seiner Heimatstadt Perugia nannte und durch viele Aufträge die Kunstszene auch in Florenz, Rom und Venedig beherrschte, kann sich jetzt jeder selbst eine Meinung bilden.

"Sepulchrum Christi" (um 1495), Foto: Sterling and Francine Clark Art Institute, Williamstown, Massachusetts, USA

Und es lohnt sich, die Blicke lange über Pietro Peruginos detailreiche Werke schweifen zu lassen, zu verweilen bei den sprachlos sprechenden Heiligen, die, statuarisch versunken in stiller Kontemplation und einfroren in ihrer Gestik, engelsgleiche Anmut und Grazie ausstrahlen. Und als Hintergrund als Bild im Bild: Weltlandschaften mit Bergen, Flüssen, Tälern und Architekturen unter immerwährend azurblauem Himmel. Perugnio erschuf atmosphärische Bildräume, in denen den himmlischen Erscheinungen sehr viel Luft zum Durchatmen gegeben wurde. Wie Mensch und Natur in der Kunst der Renaissance eine Synthese bilden, zeigt jetzt die Alte Pinakothek in München in ihrer Jubiläumsschau "Perugino - Raffaels Meister",

Den Umbrier Perugino aus dem übermächtigen Schatten Raffaels, der sein Schüler war, zu befreien, ist das erklärte Ziel der mit rund 40 Leihgaben aus Europa und den USA reich bestückten Studio-Ausstellung, die vor allem auf die Glanzzeit des Malers, das Jahrzehnt vor 1500 fokussiert und damit die vom neuen Menschenbild geprägte Zeitenwende thematisiert. Bis auf eine mythologische Szene, die Apoll und Daphnis gewidmet ist, und wenige profane Portraits dominieren in Peruginos Oeuvre die religiösen Bilder. Darunter lebensgroße Ölbilder des heiligen Sebastian, der als Pestpatron verehrt wurde und uns unversehrt von den Pfeilen der numidischen Soldaten in idealer nackter Schönheit und in Verzückung der ihn erwartender Gottesschau präsentiert wird.

"Die Vision des hl. Bernhard" (um 1489/90), Foto: München, Alte Pinakothek

Auf Augenhöhe begegnen wir dem Heiligen Bernhard, dessen Vision der Muttergottes der altmeisterliche Künstler in dem klassischsten seiner Altarbilder festgehalten hat. Das große Tafelgemälde "Die Vision des hl. Bernhard" wurde 1489 von den Brüdern Bernardo und Filippo Nasi in Auftrag gegeben und zeitnah fertig gestellt. Es sollte die von ihnen gestiftete Kapelle in der Kirche des Zisterzienserkonvents von Santa Maria Maddalena di Cestello (heute Santa Maria Maddalena dei Pazzi) in Florenz ausschmücken. Im Mittelalter wurden die Stifter selbst als kleine Figuren im Bild dargestellt. Perugino dagegen zeigt auf Wunsch der Auftraggeber die Namenspatrone Philippus und Bartholomäus im Gefolge des Zisterziensermönchs und verzichtet auf den mittelalterlichen Bedeutungsmaßstab. Wie die beiden begleitenden Engel der Maria nehmen auch die männlichen Begleiter des am Schreibpult sitzenden Bernhard keine Notiz vom Visionswunder, das sich im Zentrum einer offenen Pfeilerhalle ereignet. Ganz ohne Bedeutung sind sie aber nicht: Ihre Blickrichtungen gleichen Kompositionslinien, auf denen der Betrachter in dieses meditative Zwiegespräch unter Heiligen eingebunden wird.

Der kunstsinnige König Ludwig I. hatte ein gutes Gesprür und er besaß auch das nötige Kleingeld, um derartige Bravourstücke der Kunstgeschichte für seinen heute 175 Jahre alten Museumsbau zu sichern. Sein Kunstagent Johann Metzger erwarb das in den Kunsthandel übergegangene Werk 1829, das nun im Spotlicht des abgedunkelten Ausstellungsraumes und in guter Gesellschaft mit den kostbaren Leihgaben in ganz neuem Glanz erstrahlt.

Bis zum 15. Januar 2012 in der Alten Pinakothek in München, täglich außer Mo. 10-18 Uhr, Di. 10-20 Uhr.

Angelika Irgens-Defregger

Veröffentlicht am: 23.11.2011

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