Schuttabladeplatz der Zeit: King Kong & Co. hinterm Bauzaun an der Landsberger Straße

von Achim Manthey

Der ginge auch als King Kong durch (Foto: Achim Manthey)

Über einen seltsam berührenden Schrottplatz für Skulpturen in München.

Die Landsberger Straße in München ist verdammt lang. Stadtauswärts: die Hausnummer 466 ist ein Brachgelände, umgeben von einem Bauzaun. Das Gebäude darauf ist heruntergekommen, die Fensterscheiben sind eingeschlagen. Aber davor steht eine Fanasiewelt.

Winnetou oder Jeronimo. Wer weiß schon, wer dieser Indianer ist, der da in vollem Federschmuck grün oxidiert vor sich hin reitet als wäre er auf der Flucht vor dem massigen Gorilla, der sich hinter ihm auftürmt und wie King Kong mit grimmigem Blick nach der Jungfrau sucht, mit der er womöglich den ehemaligen Smart-Turm in der Nähe erklimmen würde. Ein Buddha in hölzernem Transportkäfig lächelt weise und hintergründig dazu.

How. Wer reitet so spät und wohin? (Foto: Achim Manthey)

Es ist ein eigenartiges Ambiente, das den Besucher empfängt. Lebensgroße Skulpturen aus Bronze und Stein, verwobene Wurzelwerke erzählen Geschichten, die sich im Kopf des Betrachters abspielen. Ein Pferd, das sich vor dem Löwen aufbäumt, als wollte es ihn abwehren. Daneben ein beflügeltes Einhorn, das gerade der Mythologie entsprungen scheint und zurückschreckt vor dieser lauten Welt. Ein Hengst mit wertvoll verzierter Besattelung reckt stolz den Kopf über den Zaun. Hat ihn je wer geritten? Hermes, der Götterbote ist ebenso zu entdecken wie ein überdimensionales Putto, das einen noch größeren Kerzenhalter umklammert. Eine Bildhauerarbeit, die aus einem indischen Tempel stammen könnte, zeigt ein Elefantenmotiv.

"Sonderangebote" verheißt ein Schild, das ein Nilpferd im Maul trägt. Nichts deutet darauf hin, dass man die Figuren erwerben könnte. Nichts ist zu erfahren darüber, woher sie stammen. An Film-oder Theaterkulissen ließe sich denken, aber dafür sind die Arbeiten zu aufwändig, die Materialien zu kostbar, und schwerere als Pappmachè allemal. Es werden eher Parks und Gärten gewesen sein, in denen die Skulpturen einst standen, bevor sie von den Eigentümern, ihrer überdrüssig geworden,  entsorgt wurden.

So stehen sie nun da in Regen, Schnee und Wind, weitgehend unbeachtet von den Menschen, die da täglich zu Tausenden vorbeifahren. "Schuttabladeplatz der Zeit" hatte Reinhard Mey in den 1970ern eines seiner Chansons betitelt. Ein Friedhof für wertvolle und wertlos gewordene Symbole, die auch in dieser Umgebung ihre Würde und Kraft behalten. Das ist ungewollt sehenswert und hat das Zeug zum Kult.

Hier noch eine kleine Bildergalerie (alle Fotos: Achim Manthey)

 

 

Veröffentlicht am: 26.01.2012

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wogi
03.08.2012 14:44 Uhr

Weiss denn jemand, wo der \"Laden\" jetzt ist?

Achim Manthey
05.08.2012 13:20 Uhr

Das wissen wir leider auch nicht. ama