Zärtlichkeit und Brutalität: Howe Gelb begeistert mit Giant Sand im Feierwerk

von Michael Grill

Giant Sand mit Howe Gelb (zweiter von links). Foto: Feierwerk

Giant Sand, eine Institution des amerikanischen Alternative- und Country-Rock um den Sänger und Gitarristen Howe Gelb, ist immer in der kleinen Form geblieben: Authentizität ist wichtiger als Breitenwirkung. Die Band feiert derzeit das 25-jährige Bestehen seit dem Erscheinen ihres Debüts „Valley Of Rain“. Im Feierwerk, das wieder einmal mit hochkarätigem Programm glänzt, wird es ein später und intimer Abend mit einem großen Charismatiker und herrlicher Musik.

Randvoll ist das Hansa 39, man steht mit den Musikern quasi wie im Proberaum. Howe Gelb murmelt etwas von 25 Jahren - „you know...“ - dann spricht nur noch seine in jeder Hinsicht fragmentarische Westerngitarre. In deren Zarge klafft ein riesiges Loch, die Saiten sind nicht mal sauber gekappt – trotzdem singt und heult das Instrument, als wenn es kein Morgen gäbe. Gelb ist eine wahrlich coole Sau, er sieht mit seinem Bärtchen ein wenig aus wie T.C. Boyle und erzählt uns, leise murmelnd, Geschichten aus den Wüsten Amerikas. Dann schreit seine Gitarre wieder und der Punk geht ab, dass es nur so kracht: Zärtlichkeit und Brutalität.

Bottleneck-Erotik und kakophonischer Exzess: Die Band beim Auftritt im Feierwerk / Hansa 39. Foto: Michael Grill

Fast etwas zu andächtig und ergriffen staunt das Publikum, erst langsam löst sich die Spannung, hier so nah einem der ganz großen Künstler der jüngeren Rockgeschichte gegenüberzustehen. Die Vier-Mann-Band des 53-Jährigen treibt den Blues voran, hypnotisch an- und abschwellende Pentatonik, es gibt Bottleneck-Erotik und kakophonischen Exzess – und mit viel Souveränität lässt man auch die falschen Töne als letztendlich richtig im Raum stehen.

Gelb huldigt dem vor einem Jahr gestorbenen Songwriter Vic Chesnutt, die Soli an Bass und Schlagzeug geraten zu Liebeserklärungen ans Instrument. Kurz vor Mitternacht dann noch ein kleines, ironisches „Riders On The Storm“-Zitat und heftiges Abrocken. Als die Bühne tatsächlich wieder leer ist, möchte man glatt ausrufen: Verweile doch, Du bist so schön!

Veröffentlicht am: 22.11.2010

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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