Aufnahmen von Russen-Star Petr Lovigin

Ein Fotograf auf seinem Planeten - skurril, bunt, liebenswert?

von Achim Manthey

Die Schlacht der Gummitiere (c) Petr Lovigin, courtesy Galerie Clair

Eine Ausstellung zeigt die aufregende, behäbige, überhöht kitschige Welt eines jungen russischen Fotografen. Da kommt etwas auf die Welt zu.

Irgendwo auf seinem Planeten hat er einen Koffer stehen, vollgepackt mit Erinnerungen. Auf großformatigen Farbbildern, die im Eingang zur Ausstellung "Planet Lovigin" in der Galerie Clair zu sehen sind, zeigt er seine Schätze, die er auf zahlreichen Reisen geborgen hat: Panini-Bildchen, Eintrittskarten, eine Baseball-Kappe oder die erste Kamera. Von Mal zu Mal kommt Neues dazu, angereichert mit kleinen Portraits, die ihn selbst zeigen, und mit handschriftlichen Notizen versehen.

Wie kommt der Muli ins Stadion? (c) Petr Lovigin, courtesy Galerie Clair

 

Es ist eine skurrile Welt, in die der Fotograf den Betrachter entführt. Seine Serien entstanden auf Reisen durch seine Heimat Russland, Georgien und Kaukasien. Der Metzger in einträchtiger Melancholie mit einem frisch geschlachteten Schwein (Georgien 2011) ist zu sehen, zwei Buben liefern sich eine Kissenschlacht auf der Wiese im Kampf um den heiligen Hahn, ein Bub scheint im Foto mit dem Titel "The Georgian Manneken Piss" seinen Kollegen nachzupieseln. "Der Haarsalon und die bestmögliche Werbung" von 2009 aus der russischen Serie zeigt das Werbeplakat, daneben eine zerzauste Alte.

Valentina hört U2 (c) Petr Lovigin, courtesy Galerie Clair

Petr Lovigin wurde 1981 in Yaroslawl geboren und studierte Architektur, bevor er zur Fotografie kam. Als "Soul Kitchen", Fotografie mit Seele, bezeichnet er seine Arbeit. Es ist dieser Blick für Kleinigkeiten, der bezaubert. Die "Love Socks" der alten Frau, Straßenszenen, komische Lebensmittelläden oder der Blick über den Zaun auf die zum Trocknen gehängte Wäsche führen farbenfroh und verträumt über den Planeten des Fotografen. Lachen macht das Bild, in dem ein gesatteltes Maultier stolz das vereinsamte Sportstadion von Yaroslaw, das auf den ersten Blick wie ein türkis gestrichenes Schwimmbad aussieht, durchschreitet. Zu dieser Sportstätte erzählt Lovigin eine reizende Geschichte: Walentina Wladimirowna Tereschkowa, die russische Kosmonautin und 1963 die erste Frau im Weltraum, ist Ehrenbürgerin von Yaroslawl und sitzt bei jedem Fußballspiel der heimischen Mannnschaft oben links auf der Tribüne.

Manche Motive sind gestellt. In der russischen Reihe taucht immer wieder eine alte Dame auf, die er selbst "Babuschka Valentina" nennt. Sie gemeinsam mit anderen Damen fortgeschrittenen Alters beim Badevergnügen, Fußball oder Hula Hopp, aber auch bei ernsthaft ausgetragene Kämpfen mit aufgeblasenen Gummikrokodilen am Ufer der Moskwa. Valentina im Blümchenkleid sitzt auch gern im Park und hört über Kopfhörer U2 oder schützt sich mit einem Mickey Mouse-Schirm vor zu viel Sonne. Die Bilder sind liebevoll und ironisch.

In der Kirche (c) Petr Lovigin, courtesy Galerie Clair

Und dann gibt es diese ganz leisen Motive, die zu jedem Planeten gehören. Ein Dorffriedhof irgendwo in der Provinz oder der Priester in der halb verfallenen Kirche auf dem Foto "At Church" von 2009 aus der georgischen Serie.

Das alles ist grell, bunt, liebenswert, auch still, eindringlich manchmal – und in der kitschigen Überhöhung bisweilen schlicht zu viel. Da baut sich ein junger Fotograf gewaltig auf, gilt als Shooting-Star der russischen Szene, der zigtausende von Landsleuten im Internet auf seine Spur gezogen hat. Nun macht er sich auf, uns zu erobern. Man muss sich auf Petr Lovigins Planeten nicht wohl fühlen – aber man darf es.

Bis zum 7. Juli 2012 in der Galerie Clair, Franz-Joseph-Straße 10 in München, Mi-Sa 15-19 Uhr, Eintritt frei. Zur Ausstellung ist im Kehrer Verlag ein Buch erschienen. Mehr unter http://lovigin.livejournal.com .

 

 

Veröffentlicht am: 16.05.2012

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