Junge Kunst noch bis Sonntag in der Whitebox

Halle trifft Leipzig in München - Eine Werkschau mitteldeutscher Kunstakademien

von Achim Manthey

the great below XXVII, 2012 (c) Sebastian Herzau, Giebichenstein

In der Ausstellung "SonderfART" präsentieren 24 Studierende und Absolventen der Burg Giebichenstein Kunstschule Halle und der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig aktuelle Arbeiten. Der Aufbruch in eine Zukunft ist nicht erkennbar.

Vom Rosenkranz erschlagen! Traum für die einen, Alp für andere. Zu erleben ist dies mit der interaktiven Installation "Rosarys" des Leipzigers  Thomas Taube, die ohne Besucher gar nicht funktionieren würde. 2500 hellblaue Plastik-Rosenkränze hängen an metallenen Konstruktionen und fallen einzeln auf den Besucher oder daneben, sobald er einen Bewegungssensor aktiviert. Endlich soll der Boden von ihnen bedeckt sein. So soll sich eine Verbindung ergeben zwischen der profanen Billigware und dem sakralen Symbol des Kreuzes. Beim Ausstellungsbesuch fand sich am Boden lediglich ein Häufchen blauen Plastiks, aus dem sich nichts erschloss.

Sebastian Herzau aus Halle zeigt mit den malerisch sorgfältig konstruierten Gemälden aus der Reihe "the great below" Schattenfiguren, die hinter durchbrochenen Milchglasscheiben verschwimmen. Es entstehen zwei Bildebenen, zwei Realitäten, von denen die untere irreal erscheint und sich dem Betrachter doch anzunähern versucht. Es ist ein Ausdruck der Selbstfindung, zuweilen auch ein Hilfeschrei.

Tigerschnegel, 2009 (c) Nils Franke, Leipzig

 

Die beiden Schulen zählen zu den bedeutensten Kunstakademien Deutschlands. Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle mit derzeit etwa 1100 Studierenden entstand bereits 1879. Der Architekt Paul Thiersch, der 1915 die Leitung übernahm, reformierte die Schule im Sinne des Deuschen Werkbundes und führte Klassen für Malerei, Grafik, Bildhauerei, Architektur und sogar schon für die Fotografie ein. Zahlreiche Mitglieder des Bauhauses aus Weimar stießen nach dessen Auflösung 1925 dazu, darunter der Bildhauer Gerhard Marcks, der von 1938 bis zur Machtergreifung durch die Nazis Direktor war. Noch weiter reicht die Geschichte der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zurück, die bereits 1764 gegründet wurde und seither unter den unterschiedlichsten Namen geführt wurde. Ihren internationalen Ruhm begründete sie in den 1970/80er Jahren durch die Leipziger Schule mit Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, später auch durch den surrealen Romantiker Günter Richter. Die Neue Leipziger Schule mit Neo Rauch als ihrem bedeutensten Vertreter brachte im vergangenen Jahrzehnt einen neuen Schub nach vorn.

Die Tür bleibt offen, 2010 (c) Lidia Beleninova, Giebichenstein

Beide Schulen stehen für Aufbruch und Innovation in der bildenden Kunst. Dafür allerdings erscheint die nun in München gezeigte Werkschau enttäuschend blutarm. Die Arbeiten sind handwerklich überwiegend erstklassig ausgeführt, zuweilen lässt sich auch die eine oder andere Schummelei entdecken. Aber es fehlt eine in die Zukunft weisende Idee. Gefälligkeit, Orientierung am Publikumsgeschmack und damit am Markt scheinen im Vordergrund zu stehen. Man hat das alles irgendwann irgendwo schon einmal gesehen.

Die Fotografien von Anna Herrgott "The Table" aus der Werkgruppe "Women" zeigen eben gerade keinen Tisch, sondern ein Model, dass mit einem solchen imaginären korrespondiert und damit eine Fiktion schafft, die den Besucher zu einer Kommunikation mit dem Werk führt. Die Kohlezeichnungen von Lidia Beleninova können beeindrucken. Es sind Nachtimpressionen, die an analoge Fotografien im Entwicklungsbad denken lassen: Immer mehr wird erkennbar, je länger man sich auf das Seherlebnis einlässt. Auch Nils Franke mit seinen fotorealistischen Gemälden "Speicher" und "Tigerschnegel", dem Portrait einer besonderen Nacktschneckenart, kann mit der Ironie, in der er auf Grusel und Ekel eingeht, überzeugen.

Die Ausstellung ist von der Galerie Filser & Gräf in Zusammenarbeit mit Stefan-Maria Mittendorf extra für München konzipiert und sehr sorgsam kuratiert. Die gezeigten Arbeiten sind vielschichtig, abwechslungsreich und zuweilen originell. Mutig, aufwühlend, innovativ sind sie nicht.

Noch bis Sonntag, 27. Mai 2012, in der Whitebox, Grafinger Straße 6 in München, Fr 17-21 Uhr, Sa und So 15-20 Uhr

Veröffentlicht am: 25.05.2012

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