Karl Arnold in der Pinakothek der Moderne

Zeichnen unter dem Damoklesschwert - bis zum Zusammenbruch

von Roberta De Righi

"Der Münchner" von 1923 (Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2012)

Dieser Münchner ist eine wenig imposante Kreatur: Der Dickwanst mit Knollennase hält sich an Bier und weißblauer Tabakspfeife fest, in seinen Augen blitzen Hakenkreuze. Karl Arnold (1883 –1953) porträtierte 1923, nach dem niedergeschlagenen Hitlerputsch, den typischen Eingeborenen der späteren „Hauptstadt der Bewegung“ für den „Simplicissimus“, und machte damit deutlich, welch ein günstiger Nährboden die Stammtisch-Gemütlichkeit der bayerischen Metropole für den aufkommenden Nationalsozialismus war.

Die Graphische Sammlung in der Pinakothek der Moderne widmet dem Pressezeichner jetzt eine umfassende Retrospektive, die erstmals das gesamte Werk – von den Malversuchen an der Akademie über seine Zeichnungen für die „Liller Kriegszeitung“ aus dem I. Weltkrieg bis zu den „Simplicissimus“-Blättern, die nach 1933 unter dem Hitler-Regime entstanden –präsentiert. Da trug die legendär bissige, rote Titeldogge längst einen Maulkorb und Arnold verlegte sich mehr aufs Karikieren der Kriegsgegner und zahnlose Spießbürgerwitze.

Seine kreative Hoch-Zeit waren hingegen die Zwanziger Jahre. Im Gegensatz zu den älteren Kollegen Thomas Theodor Heine und Olaf Gulbransson hielt er sich häufiger in Berlin auf und brachte Großstadtszenen, die an Grosz und Dix erinnern, in die Münchner Satire-Zeitschrift. Klare Konturen, fester Federstrich, eher neusachlich als in der Tradition des Jugendstils – Arnold modernisierte sie auch formal. So integrierte er etwa den berühmten Titelschriftzug als Element ins Bild und brachte ihn für die Faschingsausgabe 1925 sogar in Schräglage.

Sinnloser "Kongress" von 1908 (Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2012)

Hitlers Ernennung zum Reichskanzler kommentierte der Nazi-Gegner noch mit bitterem Sarkasmus – wenn auch sein Humor nie ganz so ätzend wie der von Th. Th. Heine war. 1932 stellt er Hitler als eher lächerlichen „braunen Engel“ dar, der unter anderem den „Rassenzuchterlass“ und ein „Arbeitslosenverbot“ im geschürten Geschenkpaket für den Reichstag hält. Und schon 1933 warnte er drastisch vor dem Krieg, in dem der Tod immer der einzige „Kriegsgewinnler“ ist.

Im selben Jahr aber unterschrieb die Simplicissmus-Redaktion eine Note, dass man fortan nicht gegen den Nationalsozialismus agitieren würde. Arnold, Vater von vier Söhnen, machte weiter. Auch wenn er in keine der Institutionen des Dritten Reiches eintrat, stand er wohl aufgrund seiner antifranzösischen Ressentiments und der Beiträge für die Liller Kriegszeitung unter dem Schutz des „Führers“. Allerdings hing das Damoklesschwert, dass seine früheren Hitler-Karikaturen doch noch aufs Tablett gehoben würden, stets über ihm. In den Zeichnungen der NS-Zeit versuchte er dennoch, subversiv Kritik an den Verhältnissen zu üben. 1938 mokierte er sich über die gleichgeschaltete Presse: „Welch Illustrierte soll man sich nun kaufen, sind ja alle gleich“ – „Na,na, schaun S’nur g’nau hi’, die Mäderl lächeln ganz verschied’n“.

1942 erlitt Arnold einen Schlaganfall und konnte nicht mehr zeichnen, lebte aber noch elf weitere Jahre. Für den stets wachen Kommentator des Zeitgeschehens, der schon lange nicht mehr alles zu Papier bringen durfte, was ihn beschäftigte, war das, so Kurator Andreas Strobl, die „Höchststrafe“.

Pinakothek der Moderne, bis 2. September 2012, Di-So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr, Katalog 28 Euro

Veröffentlicht am: 23.06.2012

Über den Autor

Roberta De Righi

Roberta De Righi ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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