Zum Auftakt des "Dance"-Festivals

Mehr als alter Wein in neuen Schläuchen?

von Gabriella Lorenz

Johanna Richter "Intimate Stranger" (Foto: DigiPott)

„Zeigen, was wichtig ist.“  Das Motto wirft die Frage auf: Wichtig für wen? Für die Kuratoren? Oder nach deren Meinung fürs Publikum? Was aufs selbe rauskommt. Über die Wichtigkeit beim 13. Münchner  "Dance"-Festival entschied das Kuratoren-Duo Dieter Buroch und Nina Hümpel. Buroch leitete 25 Jahre das Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm, die Mittdreißigerin Hümpel gibt in München das Internet-Magazin tanznetz.de heraus. Vom Generationenmix erhoffte sich die Stadt ein neues Konzept für die Tanzbiennale. Aber die Auswahl wirkt älter als das, was vorher Cornelia Albrecht oder Festival-Gründerin Bettina Wagner-Bergelt nach München holten.

Hümpel und Buroch setzen auf große, bekannte Namen: Man wolle anknüpfen an die Gründerzeit des Festivals. 1985 waren Wim Vandekeybus, Jan Fabre,  Anne Teresa de Keersmaeker Entdeckungen, heute sind sie Ikonen des Modern Dance. Und sie zeigen hier nur Produktionen, die  längst im Festivalzirkus touren, auch wenn sie zum Teil noch nicht in München zu sehen waren.  Das flämische Tanzwunder, das seit 30 Jahren die bedeutendsten  zeitgenössischen Choreografen  hervorgebracht hat und jetzt durch Subventionskürzungen massiv bedroht  ist, ist ein Programmschwerpunkt, auch als Thema eines Symposions und eines Abschluss-Panels.

Sidi Larbi Cherkaoui aus der zweiten Generation eröffnet "Dance" im Gasteig mit “Puz/zle“. Das hat er im Sommer in einem Steinbruch bei Avignon  inszeniert. Auch die Isländerin Erna Ómarsdóttir („We saw Monsters“) und Hans Van den Broeck („Messiah Run!“) kommen aus der Flandern-Schmiede. Als dritte Generation tanzen Studenten von de Keersmaekers Tanzschule P.A.R.T.S., sie werden sich mit Münchner Iwanson-Schülern austauschen. De Keersmaeker zeigt mit „Drumming Live“ einen Klassiker von 1998. Jan Fabre zelebriert das Solo „Preparatio mortis“, von Vandekeybus gibt's nur eine Filmperformance.

In Deutschland hat William Forsythe seine Tänzer zur Selbstständigkeit inspiriert: Das beweisen Antony Rizzi, Crystal Pite aus Kanada und Richard Siegal. Der liefert mit dem Solo „Black Swan“ eine der beiden Uraufführungen. Die andere kommt aus der Münchner Szene: Stefan Dreher, Caroline Finn, Monica Gomis und Ludger Lamers  choreografieren je vier Tänze  der „Sixteen Dances“ von John Cage.

Einen verstörenden Höhepunkt verspricht Marie Chouinard aus Kanada mit „ bODY_rEMIX/ gOLDBERG_vARIATIONS“  - sie nutzt Prothesen und Krücken als Erweiterung des Körpers. Nicole Beutler setzt sich mit Choreografien von Lucinda Childs auseinander. Christoph Winkler zeichnet die Radikalisierung von RAF-Terrorist Andreas Baader nach, Gintersdorfer/ Klaßen konfrontieren Richard Siegal  mit einem Tänzer von der Elfenbeinküste, bei zwei Gastspielen in der Schauburg geht`s um Männerbilder   (hinreißend komisch: „Intimate Strangers“ von Johanna Richter).

Wer fürchtet, nicht genug vom modernen Tanz zu verstehen, kann sich beim Begleitservice „Rent an Expert“ schlau machen: Man kann eine von fünf Tanzwissenschaftlerinnen  mieten,  die einem vorher und nachher die Vorstellung erläutert. Und  im Festivalzentrum im Café des Müllerschen Volksbads wird jeden Abend ein anderes Gericht serviert - nach den  Lieblingsrezepten der Künstler. Die  kann man auch als Kochbuch nach Hause tragen.

"Dance", 25. Okt. bis 4. Nov., Info www.dance2012.de, Karten www.muenchenticket.de, Tel. 089/ 54 81 81 81

Veröffentlicht am: 25.10.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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