Fotos von Herbert Becke in Ismaning

München von unten

von Achim Manthey

Luxustreter trifft Münchner Stadtlauf (c) Herbert Becke

In der Ausstellung "bodenständig" zeigt der Fotograf Herbert Becke eine ebenso witzige wie verblüffende Sicht auf die Stadt. Die Aufnahmen können auch berühren.

Die Passanten reagieren verwundert, kopfschüttelend, auch schon mal agressiv, wenn da ein durchaus reiferer Herr, der auch gut als Verwaltungsbeamter durchginge, mit seiner Kamera am Boden herumturnt. Denn das, was Herbert Becke seit über einem Jahr auf Münchens Straßen und Plätzen treibt, lässt sich mit dem aufrechten Gang des Homo sapiens nur schwer in Einklang bringen. Seine Bilder entstehen vom Boden aus.

Vom Boden aus erhält die Wiesn surreale Züge (c) Herbert Becke

Den stolzen Mittelbau des Nymphenburger Schlosses kennt jeder. Auf dem in der Ausstellung gezeigten Foto wird er allerdings durch einen Gully dominiert. Oder es beherrschen überdimensionale Hundepfoten die Szenerie und ein nobler Frauenschuh trifft auf Stadtläufer. Rolltreppen und vor allem die U-Bahn sind dankbare Motive. Hinter dem Putzeimer huscht die Metro als weiß-blauer Streifen vorbei, auf dem im U-Bahnhof Marienplatz entstandenen Bild. Das gleitet schon fast ins Surreale ab, wie auch die grellfarbigen Fotos, die auf der Wiesn entstanden sind. Und natürlich darf auch das seit Elliott Erwitt weltbekannte Motiv des "Little Dog meets Big Dog" - man muss hier fast sagen: leider - nicht fehlen.

Düstere Assoziationen werden wach (c) Herbert Becke

Herbert Becke (63) war 33 Jahre lang Leiter der Volkshochschule München-Nord, Initiator und Leiter des Projekts "FotoArt München" und Fotodozent. Neben der Menschen- und Reportagefotografie in all ihrer Vielfalt interessieren ihn kreative Techniken und besondere Sichtweisen. Er hat zahlreiche Ausstellungen "von Sylt bis Berchtesgaden" bestritten und wurde 2011 für sein Lebenswerk mit dem Tassilopreis für Fotografie, Kunst und Kultur der Süddeutschen Zeitung geehrt. Becke lebt in Garching bei München.

Die herkömmlichen Betrachtungshöhen für Fotografien liegen je nach Körpergröße des Bildermachers bei 170 bis 180 Zentimetern. Becke geht in seiner Serie zurück auf den Sichtwinkel von Kleinkindern, Katzen oder Hunden, zuweilen noch tiefer, und gelangt so zu den Realitäten unserer täglichen Laufwege. Es entstehen witzige, verblüffende Bilder. Und zuweilen - zunächst wohl unbewusst - berühren sie, weil sie Geschichten erzählen: die Hauptsynagoge am St.-Jakobs-Platz. Das Bild zeigt das bronzener Eingangstor, unmittelbar davor gelagert einen Gullydeckel, der tatsächlich gut 30 Meter davor liegt. Ein Schattenwurf auf der Fassade der Synagoge bildet scheinbar eine Pyramide ab, zwei Spuren am linken Rand der Aufnahme erscheinen wie die Schienenstränge, die in ein KZ führen. Und erkennt man da nicht auch Fragmente des "Judensterns"? Die Noppen des Gullydeckels erinnern an die Stelen des Holocoust-Denkmals in Berlin. Ob der Fotograf das so beabsichtigt hat, bleibt fraglich. Auch im Gespräch erkennt er das wohl bei seinem Lieblingsbild, wie er erklärt, erst nachträglich.

Interpretatorisch ist das schwere Kost in einer ansonsten überaus heiteren Ausstellung. Hingehen! Man muss sich da noch nicht einmal selbst zu Boden werfen.

Bis zum 31. März 2013 in der Galerie im Schloßpavillon in Ismaning, Schloßstraße 1, Di bis So 14.30 bis 17.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Veröffentlicht am: 10.03.2013

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