"Auch Bettlerkönig Peachum verdient sein Geld mit Show"

von kulturvollzug

Christian Stückl (Foto und Copyright: Gabriele Neeb)

Kommt nicht allzu oft vor, dass ein Theaterstück schon vor der Premiere auf Wochen ausverkauft ist. Christian Stückl ist dieses Kunststück als Regisseur jetzt mit der "Dreigroschenoper" gelungen. Das Brecht-Stück mit starker Beteiligung von "The Notwist" feiert am 22. Januar Premiere am Münchner Volkstheater. Mit Christian Stückl, seit 2002 Intendant des Volkstheaters und Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele, sprach der Kulturvollzug über indische Gaukler, die Musik von Kurt Weill und Stückls Pläne als Theatermann.

Kulturvollzug: Hatten Sie schon Besuch von der Kurt-Weill-Gesellschaft?

Christian Stückl: Nein, wieso, die sitzen in den USA...

Kulturvollzug: ...und sind sehr energisch und streng, was die Vorgaben von Kurt Weill betrifft. Auch gerne mit juristischem Beistand.

Stückl: Ja, das habe ich auch schon gehört. Komisch, jeder spricht irgendwann davon. Wir haben jedenfalls einen sauberen Vertrag mit dem  Suhrkamp-Verlag. Und letztlich achtet der darauf. Suhrkamp würden ja auch die Rechte entzogen werden, wenn etwas nicht sauber wäre. Wir halten uns jedenfalls sehr dicht an die Vorgaben.

Kulturvollzug: Obwohl wir nur acht Musiker auf dem Programm für die  Premiere am Samstag gezählt haben?

Stückl: Und so stimmt’s ja auch. So ähnlich steht’s bei Kurt Weill: Neun Musiker, die eine Vielzahl von Instrumenten beherrschen. Das war, glaube ich, in der „Welt“ falsch zu lesen. Die hatten geschrieben, dass Kurt Weill für großes Orchester geschrieben hatte. So stimmt das aber nicht. Da steht: für einige Musiker, die einige Instrumente spielen. Da sind wir näher an den Vorgaben als mancher denkt.

Kulturvollzug: Wir sind schon mal gespannt. Sehr oft bekommt man die Dreigroschenoper in München ja nicht zu sehen...

Stückl: Die Ruth Drexl hat’s hier am Volkstheater mal gebracht. Aber das ist auch schon fünfzehn Jahre her. Die Dreigroschenoper wird wirklich selten gespielt, ich hab sie, glaube ich, noch gar nicht gesehen. Vielleicht liegt das an den strengen Auflagen, vielleicht auch daran, dass jeder seine feste Vorstellung davon hat, wie Brecht gespielt werden sollte. Jeder Journalist hat doch irgendeine Modellaufführung bei der Hand. Jeder achtet besonders auf Werktreue oder was er dafür hält. Da wird die Luft schnell dünn, deswegen lassen, glaube ich, viele Leute die Finger davon.

Kulturvollzug: Und welches Modell werden wir auf der Bühne des Volkstheaters sehen?

Stückl: Mein Modell, wie sonst auch. Die Dreigroschenoper ist ein Stück mit vielen Musikern, gut. Ansonsten gehe ich da dran wie an jedes andere Stück auch. Ich gehe im Prinzip an Brecht auch nicht anders heran als an die Passionsspiele oder den Hamlet. Ich muss mit dem Stück zurechtkommen, es in meine Welt holen. Stefan Hageneier (baut die Bühne, Anm. der Redaktion) hat diese indische Assoziation hineingebracht, mit Gauklern auf einem indischen Jahrmarkt. Ein Kuriositätenkabinett ist das, ähnlich wie beim Schichtl auf der Wiesn. Und da haben wir gleich die Verbindung zum Bettlerkönig Peachum, der sein Geld mit Show verdient. Er weiß, wie man aus dem Schrecken und dem Mitleid der Leute Geld macht. Peachum muss die Leute beeindrucken, um Geld zu verdienen, er muss sie hereinholen in sein Kabinett. Und das müssen auch wir. Ich finde jedenfalls faszinierend, welche Ideen aufeinanderstoßen: Da die Gangster, da die bürgerliche Seite, die bei Brecht ja auch eher Verbrecher sind.

Kulturvollzug: Wie kam’s zur Zusammenarbeit mit Micha Acher (von "The Notwist")?

Stückl: Wir hatten dieses starke Konzert mit "The Notwist" hier im Volkstheater. Und Micha Acher hat die Musik für meinen „Richard III.“  geschrieben, ebenso wie für den „Hamlet“. Ich wollte die „Dreigroschenoper“ eh machen, und ihm gefällt sie auch gut. So sind wir zusammengekommen. Er hat eigens eine Combo für die „Dreigroschenoper“ zusammengestellt. Micha Acher hält sich hundertprozentig an Kurt Weill, aber natürlich in seinem eigenen Duktus. Genau wie ich.

Kulturvollzug: Stefan Hageneier und Sie kennen sich schon lange.

Warum gibt es erst jetzt die erste gemeinsame Arbeit am Volkstheater?

Stückl: Stefan und ich kennen uns schon sehr lange, stimmt. Aber hier in München ging unsere Arbeit oft auseinander, er war in den vergangenen Jahren als Chefausstatter am Staatsschauspiel auch sehr ausgelastet. Das wird in Zukunft vielleicht anders sein, er verlässt das Staatsschauspiel.  Das wird man sehen. Aber in Oberammergau haben wir schon oft zusammengearbeitet, zuletzt sehr gut beim Passionsspiel.

Kulturvollzug: Sie haben das Volkstheater gerettet und zu einem der

wirklich angesagten Häuser in München gemacht. Auch in Oberammergau sind Sie längst unumstritten. So hat alles geregelt seinen Gang. Wäre es nicht an der Zeit, was Neues zu versuchen?

Stückl: Wollts mich loswerden, schauts ihr euch schon nach einem neuen Intendaten um? (lacht) Na, es ist schon so, ich geh immerhin schon in meinen dritten Vertrag rein. Ich hatte einmal für fünf Jahre abgeschlossen und dann zweimal um jeweils drei Jahre verlängert. Da fragt man sich natürlich, ob da nicht mal was anderes hermuss. Frank Baumbauer (bis 2009 Intendant der Kammerspiele, Anm. d. Red.) hat gesagt, nach acht Jahren muss man gehen. So weit würde ich im Moment nicht gehen. Ich mag dieses Haus. Man muss halt aufpassen, dass man sich nicht einmottet, dass man immer mal wieder auch was anderes probiert. Aber ich mag das Volkstheater wirklich. Ich  werde heuer die Wiederaufnahme von „Palestrina“ in Hamburg machen, 2012 kommt „Ariadne auf Naxos“, ebenfalls in Hamburg.

Kulturvollzug: Wie reagieren denn die protestantischen Hamburger auf den katholischen Oberbayern Stückl?

Stückl: Werden wir sehen. Ich hab da mal die Geschichte mit dem alten

Taxifahrer erlebt, der mir erzählt hat, dass früher alles ganz anders gewesen sei. „In meiner Schulzeit gab’s nur einen Ausländer“, sagte er, „und das war ein Katholik.“ Aber im Ernst: Ich glaube, dass ganz nördlich und ganz südlich sehr gut zusammenpassen. Das merke ich auch, wenn ich hier mit Schauspielern von ganz droben zusammenarbeite.

Interview: kv

Karten für die "Dreigroschenoper" von Bertold Brecht am Volkstheater gibt es offenbar erst wieder für den 21. Februar. Wer sich's davor schon ansehen will, sollte sich die öffentliche Probe am Donnerstag, 20. Januar, vornehmen.

Veröffentlicht am: 18.01.2011

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