Zum Start des "Kunstherbst" und der "Langen Nacht der Museen"

Schulterschluss der Schatzmeister

von Karl Stankiewitz

Gemeinsam auf einer Seite I (v.l.): Konrad O. Bernheimer, Daniela Dölling, Raffaela von Salis, Norbert Munsch. Foto: Hannes Magerstaedt

Überreif sind jetzt die Früchte der Kunst, üppig und teilweise teuer kommen sie auf den Markt. Im Herbst 2014 läuft München zur kulturellen Hochform auf. Die große Lese begann am 11. Oktober mit der Residenzwoche, die acht Tage lang außergewöhnliche Konzerte und Führungen durch das Schatzhaus der Wittelsbacher anbietet. In der nun bevorstehenden Langen Nacht der Museen am 18. Oktober präsentieren mehr als 90 Museen ihre Räume, oft mit Musik und kulinarischen Genüssen, öffnen ihre Werkstätten und Depots, bitten zu Führungen, Vorträgen und mancherlei Performance. Am 25. Oktober beginnt im Salvator auf dem Nockherberg die traditionsreiche Kunst- & Antiquitätenmesse. Ihr  folgen unmittelbar die 59. Deutsche Kunstmesse im Postpalast und eine noch anspruchsvollere Verkaufsmesse namens Highlights in der Residenz.

Das alles begleiten ungefähr 50 Münchner Kunsthändler, über 60 zeitgenössische Galerien und rund 20 Auktionshäuser sowie Künstlergruppen und Künstleragenturen: mit Open-Art-Tagen, Sonderausstellungen, Termingesprächen, Atelier-Öffnungen und sonstigen, auch mal kuriosen Aktivitäten. Beispielsweise brachte Christie's bei einem „Pin-Fest“ 31 Werke international renommierter Künstler unter den Hammer, dazu gab es eine "Silent Auction" mit 26 Losen. Event auf Event, da und dort gerät die Münchner Kunstszene zum Kunst-Dschungel.

Wie das alles sichten und sortieren und mit Bedacht konsumieren? Gewiss, es gibt zahlreiche Magazine (das erste mit Münchner Kunstthemen war schon 1983 erschienen), Kauf- und Gratiszeitungen sowie Internet-Dienste (nicht zuletzt auch diese Seite) mit Ankündigungen und Berichten zur aktuellen Münchner Kunstszene. Aber genügt das bei einer solchen Fülle, damit sich der Kunst- und Kulturfreund wirklich gezielt und umfassend informieren kann?

Offenbar nicht, meinten Daniela Dölling und Raffaela von Salis und starten am 9. Oktober 2014 das Online-Portal "Kunstherbst München". Künftig finden Interessierte auf www.kunstherbstmuenchen.de Informationen über aktuelle Termine aus Kunst und Kultur, Berichte zur Kulturszene und zum Kunsthandel sowie zu Ausstellungen, Messen und Auktionen. Weitere Inhalte sind Portraits und Interviews mit Persönlichkeiten der Kunstwelt und ein Verzeichnis der wichtigsten Adressen des Kunsthandels und der Galerien. Unterstützt wird das Projekt von den Gründungspartnern AD Architectural Digest, der Allianz Deutschland AG und der "Highlights" Internationale Kunstmesse München sowie dem zweiten Bürgermeister Josef Schmid. Die Verantwortlichen werden zusätzlich durch einen Beirat unterstützt, der sich zusammensetzt aus den Kunstexperten und Händlern Konrad O. Bernheimer und Georg Laue, dem ehemaligen bayerischen Kunstminister Wolfgang Heubisch und Georg von Gumppenberg, Kunstsachverständiger der Allianz.

Gemeinsam auf einer Seite II (v.l.): Stadtrat und Ex-Minister Wolfgang Heubisch, Daniela Dölling, Konrad O. Bernheimer, Schlösser-Präsident Bernd Schreiber. Foto: Hannes Magerstaedt

Um Popularität durch Information weit über den durchaus großen Kreis der Kenner und Insider hinaus will sich der soeben geschaltete Onlinedienst bemühen. „Es geht uns nicht zuletzt darum, die Kunst- und Kulturszene verstärkt ins Bewusstsein der Münchner zu bringen“, sagte die international erfahrene Dölling bei der Präsentation des Projekts. Immerhin handle es sich bei dieser Szene, die man nun „beleuchten“ wolle, um die mit der „größten Kunsthandelsdichte in Deutschland“.

Die Stadt hat nun auch allen Anlass, sich als Kunststadt neu zu positionieren und ihren Ruf ohne Selbstgefälligkeit nicht nur im internationalen Kunsthandel und im Kunsttourismus zu festigen, sondern auch die Münchner selbst besser zu informieren und zu motivieren. Denn längst sind Kulturinstitutionen draußen in der oberbayerischen Provinz dabei, ihr erfolgreich Konkurrenz zu machen. So geschieht es auch in diesem Kunstherbst. Mehrere Museen greifen etwa das im Lenbachhaus vorgespielte Thema Neue Sachlichkeit auf: das Kallmann-Museum in Ismaning mit Werken aus den beiden Weltkriegen („Zwischen Passion und Kalkül“), das Museum der Phantasie in Bernried, das neue Wege jenseits Gründerlegende Buchheim sucht, mit den berühmten Kriegs-Grotesken von Georg Grosz. Und das Franz Marc Museum in Kochel, immer für Überraschungen gut, eröffnete eine Ausstellung „Jenseits der Utopien“, die dem Patron des schönen Hauses huldigt und ihn gewissermaßen mit zwei Kameraden konfrontiert: Henri Matisse und Rupprecht Geiger, alle drei mit Werken aus zwei Weltkriegen, die sich, vielleicht im Chaos des Geschehens, dem Abstrakten nähern.

Karl Stankiewitz ist Autor eines Buches über die Münchner Kunstszenen ab 1945: „Die befreite Muse“, erschienen 2013 im Volk Verlag München.

Anm. d. Red. (15.10.2014, 14.40 Uhr): Im mittleren Teil des Textes wurden einige Formulierungen und Funktionsbeschreibungen bei den vorgestellten Personen aus sachlichen Gründen geändert beziehungsweise korrigiert.

Veröffentlicht am: 14.10.2014

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