Zum geplanten Musical über Pola Negri

Die Rückkehr der Herrin der Welt

von Karl Stankiewitz

Pola Negri im Jahre 1927. Foto: George Grantham Bain collection/Wikipedia

Sie wurde als "Duse der Leinwand" verehrt, war für viele Menschen der Inbegriff des Vamps. Von Max Reinhardt endeckt, wurde Pola Negri zu einem Weltstar. Jahre später, nach dem Zweiten Weltkrieg, sollte sie den deutschen Film wiederbeleben und kam nach München. Und beinahe hätte Karl Stankiewitz ein Interview mit ihr geführt. Aber - die Dame wollte aufs Land. Und heute, wo es ein neues Musical über "Polita" geben soll, erinnert sich Karl Stankiewitz an eine faszinierende Künstlerin.

Ein doppeltes, ein überraschendes Comeback: Zum ersten Mal seit 20 Jahren war Pola Negri wieder in Deutschland  gewesen, und zum ersten Mal seit zehn Jahren war sie wieder ins Licht der Jupiterlampen getreten. „Die Herrin der Welt“ sollte das zweiteilige Werk heißen, das dem deutschen Film endlich wieder Anschluss an den internationalen Spitzenmarkt sichern sollte. Das hofften jedenfalls damals die Leute von der UFA in München, in deren Obhut sich die „Stammmutter“ der deutschen Filmstars befand, als ich sie im September 1959 interviewen wollte. Im Ohr hatte ich aus der Jugendzeit das Peter-Kreuder-Lied, das so ungemein schmalzig aus dem Volksempfänger tönte: „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, bin ich mit meiner Sehnsucht allein...“

„Ich packe gerade meine Koffer für kleine Reise aufs Land“, bedauerte Pola Negri am Telefon ihre Unabkömmlichkeit für ein persönliches Gespräch. Ein eigenartiges Deutsch mit einem Gemisch aus slawischen und englischen Akzenten. Wenige Tage zuvor hatte sie im Vier Jahreszeiten ihre 19 Koffer ausgepackt, die sie aus Nizza mitgebracht hatte. Das war der erste Flug ihres Lebens, und sie erschien den wartenden Reportern auf dem Rollfeld ziemlich angeschlagen. Eine Nachrichtenagentur dichtete ihr ein Alter von 70 Jahren an. Dabei war es erst 62 Jahre her, dass sie im polnischen Lipno als Tochter des Klempners Chalupiec, eines slowakischen Rom, geboren worden war.

Damals trug sie noch den schönen Namen Apolonia. Pola nannte sie sich erst, als sie Max Reinhardt in einer Warschauer Ballettschule entdeckte und nach Berlin holte. Unter seiner Regie spielte sie 1916 erstmals in der Filmpantomime „Sumrum“. Drei Jahre später brachte sie Ernst Lubitsch als „Madame Dubarry“ groß heraus. Bald war sie der Inbegriff des „Vamp“. Millionen in aller Welt begeisterte sie als „Carmen“, als „Kameliendame“ oder „Weib des Pharao“. Man nannte sie „Duse der Leinwand“. Dass sie mindestens so viele Affären verursachte, steigerte noch ihre Berühmtheit. Hitler selbst soll dem Zigeunermädchen einen „Persilschein“ erteilt haben.

Inbegriff des Vamps: Pola Negri, hier auf einer Postkarte. Foto: Rembrandt/Archiv

Bei Kriegsausbruch erwischte die „Nichtarierin“, nach letzten Triumphen wie „Mazurka“ und „Tango Notturno“, gerade noch den letzten Dampfer nach New York. 1949 beschloss sie, ihre Filmlaufbahn zu beenden, um sich einem durchaus amusischen Beruf zuzuwenden: Sie wurde Immobilienhändlerin und spekulierte an der Börse. Und sie hatte dabei kaum weniger Erfolg als früher. Auch an Romanzen, unter anderen mit den Kinokönigen Chaplin und Valentino, war wieder kein Mangel.

Ein Riesenerfolg war denn auch zu erwarten vom jüngst geplanten Film der alten Dame. Arthur Brauner wollte ihn produzieren. Willliam Dieterle wollte ihn inszenieren: in Berlin, Hongkong und den Dschungeln des noch unruhigen Kambodscha. Das Drehbuch des Deutschamerikaners Wolfgang Petersen handelte von einer Frau, die von ihrem Vater das Geheimnis einer neuen Atombombe geerbt hatte. Jedoch: die „Herrin der Welt“ wurde nie gedreht. Einmal aber stand Pola Negri  doch noch nochmal vor der Kamera. 1964 spielte sie eine exzentrische Millionärin, in „Der Millionenraub“. Einsam starb der Superstar 1987 in Texas.

 

Die ursprünglich für dieses Frühjahr angekündigten Vorstellungen des Musicals "Polita" in großen Hallen (auch in München) wurden wieder abgesagt. Aktuell sind zwei Termine im Herbst 2015 auf den Seiten des Veranstalters angekündigt.

 

Veröffentlicht am: 06.02.2015

Andere Artikel aus der Kategorie